Kölnische Rundschau, 08.10.2013 / Kölner Stadtteile
Grundsatz: Das muss kesseln!
Eine Gruppe Bierliebhaber lässt den Traum der Bierbrauerei wahr werden
Von SANDRA MILDEN
Südstadt. Was haben Bordeaux, Champagner, Chianti und Kölsch gemeinsam? Sie gehören europaweit zu den einzigen alkoholischen Getränken mit Inhalts-, Herstellungs- und Herkunftsgarantie. Das Kölsch, eine „regional geschützte Spezialität“ sozusagen. Tja, was sonst? Kölsch ist schließlich der Schampus vom Rhein. Aber: die europaweite Konzentration der Brauereiwirtschaft geht auch an Köln nicht vorbei. Die Zahl der Brauereien sinkt von ehemals etwa 100 auf jetzt 26. Es wird weniger Kölsch getrunken und weniger Großbrauereien stellen jeweils mehrere Kölsch-Sorten her – im so genannten Lohnbrauverfahren.
Aber wie schon Asterix und Obelix bewiesen haben, dass sich Widerstand auszahlt, könnte bald eine neue Brauerei hinzukommen. Das Ansinnen von fünf Freunden, die schon immer mal ein eigenes Bier herstellen wollten. „Der Traum alter Männer,“ bemerkt Mitgesellschafter der Böll GmbH, Stefan Peil, achselzuckend. Peil, Mitglied der Landschaftsversammlung des LVR, Fraktionsvorsitzender, Ratsmitglied (Grüne) und Biertrinker. „Einige haben eine Dampfmaschine oder fahren Porsche. Wir wollten Bier brauen,“ so Peil.
Das Produkt, eine individuelle Kölsch-Sorte, die aus dem Fässchen läuft, nennt sich Böll-Bier. Bier? Das helle, blanke, obergärige Vollbier schmeckt süßlich wie ein Reissdorff und wird in der Böll-Bier-Stange in drei Kneipen Kölns, in der Ubierschänke, im Alcazar und im Gasthaus zur Linde, ausgeschenkt. Gebraut wird es einmal im Monat aktuell noch im Lohnbrauverfahren bei Sünner in Kalk – etwa 1400 Hektoliter im Jahr. Natürlich nach eigenem Rezept.
Die Gründungsmitglieder und Gesellschafter sind Heiner Taubert, Günther Zabel, Stefan Peil, Thomas Böll und der Brauer Dieter Ritter. Lehrer Dieter Ritter gab die Initialzündung, nachdem er bei Jean Pütz in der „Hobbythek“ einen Beitrag zum Bierbrauen sah, der ihn nicht mehr losließ. Denn Bierbrauer sind die fünf Herren allemal nicht. Immerhin findet sich in Günther Zabel, eigentlich einem Kfz-Sachverständigen, auch ein Gastwirt. Zabel hat schon immer die Abhängigkeit seiner Kneipe von den großen Brauereien geärgert: „Ich habe schon immer gesagt, ich möchte irgendwann einmal mein eigenes Bier brauen.“
Als Ritter mit seinem „Hobbybier“ um die Ecke kam, waren sie sich schnell handelseinig. Drei Jahre tüftelten die Hobbybrauer am besten Geschmack und haben dabei auch Freunde verärgert. „Wir wollten halt eine objektive Meinung“, erklärt Zabel und ließ die ersten Böll-Biere in seiner Kneipe am Ubierring von Kunden testen, bis die Rezeptur für ihr Bier stand. Böll-Bier, weil Böll Kölsch „blöd klingt“. Und Zabel störte die 16 Paragrafen umfassende Kölsch-Konvention. Zwölf Zentimeter misst der Kneipier den Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger ab und erklärt: „So ein Schinken, was man da alles erfüllen muss.“ Mitgesellschafter Thomas Böll sieht das pragmatischer: „Wir wollten unabhängig bleiben.“ Kölsch ist eben nur Kölsch. Die Gesellschafter haben sich mehr vorgenommen.
Zwei Anläufe, eine eigene Brauerei zu gründen, sind in der Vergangenheit gescheitert. Zabel: „2007 waren wir schon an einer Garage hier in der Südstadt dran.“ Eine Weile träumten die Böll-Brauer auch von einer Wiederauferstehung der Brauerei im Haus Balchem auf der Severinstraße. Nächstes Jahr soll der Startschuss fallen. Zwei Objekte haben die Herren im Visier. Denn Lohnbrauverfahren heißt auch: eine reduzierte Einflussnahme, wenn Fehler entstehen. „Davon wollen wir weg“, so Peil.
An eine Konkurrenz zu den „Großen“ denken die Böll-Bierbrauer nicht. Sie verkaufen Pittermännchen auf Anfrage. Ein Event wurde auch schon mit Böll-Bier ausgestattet, weitere sollen folgen. Wenn die Abnahmemengen stimmen, soll auch in Flaschen abgefüllt werden. Die großen Jungs wollen einfach brauen. Nicht nur Böll-Bier, sondern auch Maibock oder den „roten Bengel“, ein herbstliches Winterbier mit hoher Stammwürze. Vielleicht auch ein Osterhasenbier. Wer weiß?
Und Böll? Klingt ein bisschen nach Bölk Stoff, was die Herren im Gespräch durchaus gelten lassen. Kölns Ehrenbürger Heinrich Böll hat weniger mit der Namensgebung zu tun, auch wenn er der Onkel des Mitgesellschafters Thomas Böll ist. Aber die Hommage gilt einem anderem Neffen des Literaturnobelpreisträgers: der stadtbekannte Szenewirt Clemens Böll. Einst gründete er mit Günther Zabel das „Alcazar“. Bekannt ist er aber hauptsächlich durch sein politisches Engagement. Das Label „Böll“ hat aus gutem Grund seine grüne Farbe.