Kölnische Rundschau 13.10.2009 Ressort: STADT
DIE LOKALE WIRTSCHAFT
Erst Essen, dann Party
Silvester räumen die Gäste Tische und Stühle beiseite
Wohin zieht es den Kölner, wenn er es gesellig haben will – möglicherweise mit Bier und Fußball? Natürlich in die Kneipe um die Ecke. In lockerer Folge stellt die Rundschau beliebte Treffs im Veedel vor. DIERK HIMSTEDT
BELGISCHES VIERTEL . „Die Leute lieben die Kneipe – und das seit Jahren. Das Alcazar gehört quasi zum Inventar des Belgischen Viertels“, freut sich Mitinhaberin Martina Hermann über den guten Zuspruch der Gäste.
Und tatsächlich ist die Eckkneipe an der Bismarckstraße 39a seit der Wiedereröffnung vor über 20 Jahren regelmäßig gut besucht und eine echte Institution im Viertel. Wer gut essen oder gemütlich etwas trinken möchte und nicht schick sein, sondern lieber kommunikative Kneipenatmosphäre genießen will, der ist im Alcazar richtig.
Gut aufgehoben fühlten sich die Leute an der Ecke Bismarckstraße/Brüsselerstraße offenbar schon viel früher. Bereits seit der Jahrhundertwende soll es in dem Haus eine Kneipe gegeben haben – damals noch in einem der Jugendstilhäuser, die das Belgische Viertel prägten. Dieses jedoch wurde im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört. Mit bescheidenen Mitteln baute die damalige Hausbesitzerin, „die alte Frau Schmitz“, das Gebäude bis zur ersten Etage wieder auf. Mit Hilfe ihrer Verwandtschaft betrieb sie dort eine Gaststätte, die sich Ende der 60er Jahre zu einer der ersten studentischen Szenekneipen in Köln entwickelte. Etwa zu Anfang der 70er Jahre wurde sie in „Alcazar“ umbenannt, und das „Normannische Kotelett“ war in ganz Köln bekannt.
Als die „alte Frau Schmitz“ Mitte der 90er Jahre starb, verkauften ihre Erben das Haus, und der Kölner Architekt Professor Dr. Schneider-Wesseling setzte auf das Alcazar die heutigen Etagen. Wechselvoll war die Geschichte des Lokals; stark heruntergekommen und zeitweise geschlossen, ging es vor 20 Jahren mit wechselnden Inhabergemeinschaften wieder bergauf.
„Für mich ist es immer ein Spaß, die Leute, die noch nie bei uns waren, zu überraschen. Zu sehen, wie sie ihre anfängliche Skepsis, ob sie in dieser Eckkneipe auch wirklich gut essen können, im Laufe des Abends ablegen und am Ende zufrieden nach Hause gehen, lässt mich immer wieder lächeln“, plaudert die heutige Mitinhaberin Martina Hermann ein wenig aus dem Nähkästchen. Ein gelernter Küchenchef sorgt zusammen mit seinen Mitarbeitern für den täglichen Mittags- und Abendtisch. Frisches Gemüse der Saison und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis kommen bei den Gästen seit Jahren sehr gut an.
„Wir haben viele Stammgäste, die im Grunde mit uns älter werden. Das sorgt bei uns für eine fast familiäre Atmosphäre, in der ich gerne arbeite“, erzählt Martina Hermann weiter. Mit drei weiteren Inhabern teilt sie sich das Alcazar, und bis auf den Küchenchef haben alle noch einen anderen Beruf. Die Kneipe betreiben die vier nebenbei.
Bemerkenswert ist auch, wie sich das Alcazar an den verschiedenen Tagen wandeln kann: Manchmal ist das Alcazar einfach nur Restaurant, später am Tag dann oft Kneipe, und am Wochenende ist nach dem Essen Party-Stimmung angesagt. „Es ist oft sehr verblüffend. Die Stimmung kippt irgendwann, und die Leute fangen an zu feiern“, beobachtet die Inhaberin immer wieder. Es könne also durchaus passieren, dass 25- mit 60-Jährigen Party machen, erzählt Martina Hermann, die an den Wochenenden sehr oft selbst Musik auflegt. Dann switcht sie zwischen Chart-Musik, Evergreens und kölschen Liedern, so dass für jeden etwas dabei ist.
Ein paar besondere Highlights hat das Alcazar dann auch noch zu bieten: Silvester wird die Eckkneipe fein gemacht – und zwar auf ungewöhnliche Weise: Nach dem Essen helfen alle Gäste mit, Tische und Stühle für die Party zum Jahreswechsel wegzuräumen. Ausgelassen geht es auch beim traditionellen Karnevalsausscheidungs-Wettbewerb „Loss mer singe“ zu. „Karneval wird bei uns sowieso groß geschrieben. Und die Leute im Viertel sind nicht böse, wenn es mal länger oder ein bisschen lauter wird. Ich habe sogar schon des Öfteren erlebt, dass Nachbarn gesagt haben: ,Dann kommen wir eben runter!´“, freut sich Martina Hermann über die große Akzeptanz, die das Alcazar bei den Leuten im Viertel genießt.
ALCAZAR
Adresse: Bismarckstraße 39a, 50672 Köln, Telefon 02 21/ 51 57 33
Öffnungszeiten: wochentags 12 bis 2 Uhr, samstags 18 bis 3 Uhr, sonntags 17 bis 3 Uhr
Besonderheiten: gute Küche in familiärer Kneipenatmosphäre, beim Essen wird zusammengerückt
Preise: Kölsch (0,2 l) 1,50 Euro, Weizen (0,5 l) 3,60 Euro, Pils (0,33 l) 2,30 Euro
www.alcazar-koeln.de
Bekannt für seine Küche, aber auch für die urige Atmosphäre: Das „Alcazar“ gibt sich vielseitig. (Fotos: Himstedt)
Tagsüber oder nachts, über die Woche oder am Wochenende: Das Alcazar ist sehr wandelbar, mal Kneipe, mal Restaurant, mal Nachmittagstreff, mal Partyzone.